Untreue und aktive Korruption (in Form von Bestechung oder Vorteilszuwendung) zählen zu den häufigsten Delikten im Bereich des Wirtschafts- und Korruptionsstrafrechts. In zahlreichen Fällen stellt sich die Frage, ob aktive Korruption im Sinne der §§ 307 ff StGB auch einen Befugnismissbrauch im Sinne des Untreuetatbestands gemäß § 153 StGB darstellt. Mit dieser Frage hat sich der Oberste Gerichtshof bereits befasst und dabei festgestellt, dass aktive Korruption nicht auch zwangsläufig Untreue begründet. Vielmehr sei das zu beurteilende Verhalten am Schutzzweck beider Normen zu messen und auf diese Weise zu eruieren, ob einer oder beide Tatbestände erfüllt ist (OGH 17 Os 8/18g). Im Folgenden wird daher näher auf die genannten Tatbestände und deren Schutzzweck eingegangen und auf Grundlage dieser Darlegungen das Verhältnis zwischen Untreue und aktiver Korruption veranschaulicht.
1. Zum Tatbestand der Untreue und dessen Schutzzweck:
Untreue gemäß § 153 StGB begeht, wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt. Eine Strafbarkeit wegen Untreue setzt sohin einen Befugnismissbrauch des Machthabers[1] und einen dadurch bewirkten Vermögensschaden des Machtgebers voraus. Tatbestandsvoraussetzung ist zunächst das Vorliegen einer Vertretungsmacht bzw. Vollmacht, die den Machthaber berechtigt, über das Vermögen des Machtgebers zu verfügen oder diesen zu verpflichten. Diese Vertretungsmacht kann aus dem Gesetz (zB. gesetzliche Vertretungsmacht der Eltern für ihr Kind), einem behördlichen Auftrag (zB. bei Obsorgeträgern oder Erwachsenenvertretern) oder einem Rechtsgeschäft (zB bei Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten) resultieren. Die praxisrelevantesten Beispiele im Wirtschaftsstrafrecht sind die aus dem Gesetz resultierenden Vertretungsbefugnisse des Geschäftsführers einer GmbH oder des Vorstandsmitglieds einer AG.
Ein Untreue begründender Befugnismissbrauch liegt dann vor, wenn sich der Machthaber, der zwar nach außen für den Machtgeber auftreten darf, im Innenverhältnis in unvertretbarer Weise über Regeln hinwegsetzt, die dem Vermögensschutz des Machtgebers dienen. Diese Regeln sind häufig dem Zivil- oder Gesellschaftsrecht zu entnehmen. Typische Fälle sind durch den Geschäftsführer einer GmbH oder das Vorstandsmitglied einer AG veranlasste Vermögensabflüsse aus der Gesellschaft, denen keine (werthaltigen) Gegenleistungen für die Gesellschaft gegenüberstehen. Beispiele hierfür sind das Begleichen von Scheinrechnungen oder überhöhten Rechnungen zulasten der Gesellschaft.
Verletzt hingegen der Machthaber bei seinem Handeln für den Machtgeber Regeln, die nicht dem Vermögensschutz des Machtgebers, sondern anderen Zwecken dienen, ist dieser Regelverstoß nicht tatbestandsmäßig im Sinne des § 153 StGB. Ein Beispiel hierfür wäre eine Bestechungszahlung eines Vorstandsmitglieds an einen Amtsträger, die zwar korruptionsstrafrechtlich sanktioniert ist, allerdings der Gesellschaft im Ergebnis einen (wenn auch nicht monetären) Vorteil verschafft.
Zur Erfüllung des Tatbestands der Untreue ist es weiters erforderlich, dass der Befugnismissbrauch durch den Machthaber wissentlich erfolgt. Es ist hier also ein qualifizierter Vorsatz erforderlich, was bedeutet, dass es nicht ausreichend ist, wenn der Machthaber einen Befugnismissbrauch etwa nur ernstlich für möglich hält.
Hingegen ist es ausreichend, wenn der Machthaber den durch den Befugnismissbrauch bewirkten Vermögensschaden des Machtgebers ernstlich für möglich hält und sich mit diesem abfindet.
2. Zu den Tatbeständen der aktiven Korruption und deren Schutzzweck:
Wegen Bestechung gemäß § 307 StGB macht sich strafbar, wer einem Amtsträger oder Schiedsrichter für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts einen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt.
Im Falle des Anbietens, Versprechens oder Gewährens eines Vorteils an einen Amtsträger oder Schiedsrichter für die pflichtgemäße Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts liegt hingegen Bestechlichkeit gemäß § 307a StGB vor, die mit geringerer Strafe bedroht ist. Zu beachten ist weiters, dass nur im Falle der Vorteilsgewährung für die pflichtgemäße Vornahme eines Amtsgeschäfts unter bestimmten Voraussetzungen die Strafbarkeit entfallen kann. Dies ist dann der Fall, wenn es sich – wie in § 305 Abs 4 StGB näher dargelegt wird - um keinen „ungebührlichen“ Vorteil handelt, also beispielsweise um bloß ganz geringfügige Vorteile.
Pflichtwidrig im Sinne des § 307 StGB verhält sich ein Amtsträger immer dann, wenn er bei Vornahme oder Unterlassen eines Amtsgeschäfts konkreten Amts- oder Dienstpflichten zuwiderhandelt. Ein Beispiel hierfür ist der aufgrund einer Bestechungszahlung erfolgte Erlass eines positiven Bescheids, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind.
Hält sich der Amtsträger, dem der Vorteil gewährt wird, hingegen an die konkreten Amts- oder Dienstpflichten, so kommt lediglich eine Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit gemäß § 307a StGB in Betracht. Dieser Fall ist beispielsweise bei Erlass eines positiven Bescheids bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen gegeben, wenn der Amtsträger hierfür eine Geldleistung fordert.
Sowohl § 307 StGB als auch § 307a StGB verlangt einen Konnex zwischen dem gewährten Vorteil einerseits und dem (pflichtwidrigen oder pflichtgemäßen) Amtsgeschäft andererseits. Sofern ein solcher Konnex nicht vorliegt und ein Vorteil nicht in Bezug auf ein konkretes Amtsgeschäft gewährt wird, sondern, um den Amtsträger in seiner (künftigen) Tätigkeit zu beeinflussen, kommt (nur) eine Strafbarkeit nach § 307b StGB in Betracht.
Für alle drei Tatbestände (§§ 307, 307a und 307b StGB) gilt Folgendes:
Amtsträger ist, wer für eine Gebietskörperschaft, eine andere Person des öffentlichen Rechts, einen anderen Staat oder eine internationale Organisation Aufgaben der Gesetzgebung, Verwaltung oder Justiz als deren Organ oder Dienstnehmer wahrnimmt. Schiedsrichter ist jeder Entscheidungsträger eines Schiedsgerichts im Sinne der Zivilprozessordnung.
Unter Vornahme (oder Unterlassung) eines Amtsgeschäfts fällt jede Tätigkeit, die ein Amtsträger zur Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben entfaltet, und zwar unabhängig davon, ob er im Bereich der Hoheitsverwaltung (zB. Erlassung eines Bescheides) oder der Privatwirtschaftsverwaltung (zB Vertragsabschuss) tätig ist.
Vorteile im Sinn der Korruptionstatbestände sind materielle wie immaterielle Leistungen, die zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen, rechtlichen, gesellschaftlichen oder beruflichen Stellung des Amtsträgers führen (können). Neben den klassischen Geldzahlungen kommen beispielsweise Gutscheine, die Übernahme der Kosten für Betriebsfeiern (materielle Vorteile) oder Wahlunterstützungen (immaterieller Vorteil) in Betracht.
Sowohl § 307 StGB als auch § 307 a und b StGB verlangen einen zumindest bedingten Vorsatz hinsichtlich aller Tatbestandselemente. Dieser ist gegeben, wenn die Erfüllung der Tatbestandselemente (insbesondere Amtsträgereigenschaft und Vorteilsgewährung) zumindest ernstlich für möglich gehalten wird und sich der Täter damit abfindet.
Die Schutzzwecke der §§ 307, 307a und b StGB umfassen die Aufrechterhaltung der Reinheit, Sauberkeit und Unverkäuflichkeit der Amtsführung. Diese Strafbestimmungen schützen hingegen nicht das Vermögen des Bestechenden.
3. Zum Verhältnis zwischen Untreue und aktiver Korruption:
Aus den dargelegten unterschiedlichen Schutzzwecken des § 153 StGB einerseits (Schutz des Vermögens des Machtgebers) und der §§ 307, 307a und b StGB andererseits (Aufrechterhaltung der Reinheit, Sauberkeit und Unverkäuflichkeit der Amtsführung) resultiert, dass im Falle aktiver Korruption nicht automatisch auch Untreue vorliegt.
Jedoch existieren sehr wohl zahlreiche Fälle, in denen sowohl aktive Korruption als auch Untreue zu bejahen sind und der Täter nach beiden Bestimmungen strafbar ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn durch die Korruption auch interne, dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienende Anordnungen bzw. Weisungen verletzt werden oder aber der allgemeine Grundsatz, der jeden Machthaber verpflichtet, dem Machtgeber größtmöglichen Nutzen zu verschaffen, nicht eingehalten wird. Das beste Beispiel hierfür sind durch aktive Korruption bewirkte Vermögensabflüsse, denen jedoch keine entsprechende Gegenleistung gegenübersteht.
Steht hingegen der im Rahmen der aktiven Korruption geleisteten Zahlung an einen Amtsträger eine Gegenleistung gegenüber, die sich insgesamt positiv auf das Vermögen des Machtgebers auswirkt, so wäre eine Strafbarkeit wegen Untreue grundsätzlich nicht angezeigt. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn einem Amtsträger ein Vorteil für einen Vertragsabschluss gewährt wird und dieser Vertrag - auch gemessen an der geleisteten Zahlung – ein für den Machtgeber vorteilhaftes Rechtsgeschäft darstellt. Allerdings können wissentliche Zahlungen für illegale Zwecke, selbst wenn sie auf den ersten Blick als ökonomisch vorteilhaft erscheinen, auch Untreue begründen (Siemens-Judikatur, „Schwarze Kassen“). Derartige Zahlungen sind sohin stets im Einzelfall danach zu beurteilen, ob Regeln verletzt werden, die dem Vermögensschutz des Machtgebers dienen.
Denkbar wäre weiters der Fall, dass der Machtgeber selbst eine illegale Bestechungszahlung duldet oder gar anordnet. Der Machtgeber wäre dann Beteiligter am Korruptionsdelikt des Machthabers, begeht dadurch aber keine Untreue.
Das dargelegte Verhältnis zwischen Untreue und §§ 307, 307 a StGB ist analog anzuwenden bei der Beurteilung einer Strafbarkeit wegen Untreue einerseits und Bestechung von Bediensteten oder Beauftragten im privaten Sektor, welche durch § 309 StGB sanktioniert wird, andererseits.
Bei Fragen steht Ihnen das KWR Wirtschaftsstrafrechtsteam gerne zur Verfügung.